Kurz vor dem ersten Saisonspiel verschwindet beim EHC Red Bull München das „EHC“ aus dem Namen. Zwar nur optisch auf Facebook, doch das ist zunächst nicht bekannt. Spekulationen, Sorgen und auch Wut machen die Runde – ein unnötiger Wirbel, der mit einer einzigen Maßnahme vermeidbar gewesen wäre.
Es ist Donnerstag, der 17. Dezember 2020. In einer halben Stunde beginnt nach ewigem Warten die neue DEL-Spielzeit mit dem Derby Köln vs. Düsseldorf, drei Tage später soll München seine erste Partie gegen Augsburg bestreiten. Die Vorfreude ist rund um das Oberwiesenfeld und in den Reihen der Anhänger spürbar. 30 Minuten vor dem Eröffnungsbully am Rhein fällt uns auf, dass die Vereinsverlinkung im Post zu unserem Podcast-Interview mit Patrick Hager (Folge 28) anders aussieht. Das „EHC“ fehlt. Ein Check zeigt: Es ist kein Fehler, der EHC München ändert seinen Namen und hat das „EHC“ tatsächlich und vollkommen überraschend gestrichen.
EHC München ändert Namen auf Facebook – Marketingmaßnahme mit Folgen
Natürlich diskutieren wir in der „Puck ma’s“-internen WhatsApp-Gruppe direkt darüber. Die erste Reaktion lautet: „Das geht gar nicht!“ Ein anderer erwartet einen „Aufschrei bei gewissen Leuten, wenn das die Runde macht“. Relativ schnell erreichen uns Anfragen aus der Fan-Gemeinde, ob wir mehr zu dem Thema wüssten, ob die Organisation wirklich das „EHC“ streicht und dass die Gemüter bei einigen erhitzt wären. Das „Puck ma’s“-Team geht der Sache nach. Einige Telefonate später steht fest: Es bleibt alles beim alten und der EHC bleibt der EHC Red Bull München. Die Umstellung auf Facebook ist lediglich eine Marketing-Maßnahme mit SEO-Hintergrund (Suchmaschinen-Optimierung im Web).
Viel Aufregung um Nichts, Thema abgehakt? Ganz so einfach ist das nicht. Ja, für die „neueren“ Fans oder Freunde von gutem Eishockey mag der Wirbel um das verschwundene „EHC“ weniger nachvollziehbar oder minder relevant erscheinen. Und ja, dass Red-Bull-Organisationen im Sport eine eigene und defensivere Schiene in der Öffentlichkeitsarbeit fahren als ihre Kontrahenten, ist kein Geheimnis. Der Draht zum Anhang, vor allem zu den treuesten der Treuen, will aber trotzdem gepflegt sein und gewisse Dinge sollten berücksichtigt werden. Ein Blick in die Vergangenheit des Vereins hilft, um das Ausmaß zu verstehen.
Fast vergessene Angst um Identitätspulverisierung kocht hoch
Als Red Bull den Verein 2012 als Namenssponsor vor dem Aus rettete, war eigentlich klar, dass die Komplettübernahme 2013 erfolgen würde. Miteinhergehend wuchs bei den Fans die Sorge, dass der Konzern dabei ähnlich rabiat vorgehen würde wie einst bei der Fußball-Übernahme von Austria Salzburg anno 2005, bei der Vereinsname und -farben sowie die Historie quasi pulverisiert wurden. „Keine Kompromisse. Das ist ein neues Team, ein neuer Klub. Es gibt keine Tradition, es gibt keine Geschichte, es gibt kein Archiv“, hieß es damals von Konzern-Seite (hier nachzulesen bei „Der Standard“), der Fansprecher sprach gar von einer „Panzermethode“ bei der Übernahme.
In München kam es anders, die Farben Weiß und Blau blieben ebenso erhalten wie das „EHC“ im Namen. Auch der Verbleib eines nicht unerheblichen Anteils an verdienten Mitarbeitern wie Manager Christian Winkler oder Betreuer Heinz Preiß, die bis heute an Bord sind, half immens. Der Eishockeyclub bewahrte seine Münchner Identität soweit, dass bis heute nicht wenige Fans des „alten“, anno 1998 gegründeten Vereins diesem treu geblieben sind. Hier wurde Fingerspitzengefühl bewiesen.
EHC München ändert Namen – auch Liga wohl nicht informiert
In Podcast-Folge 29 sprachen wir bei der Diskussion um die Thematik davon, dass sich deswegen über die Jahre eine „gewisse Aussöhnung“ des Anhangs mit dem neuen Eigner aus Österreich einstellte, dass die Sorgen unterschwellig aber noch immer mitwaberten. Diese kochten durch das verschwundene „EHC“ im Anzeigename auf Facebook nun hoch – eine Explosion mit Ansage. „Jetzt also doch“, war der Tenor, jetzt werde doch noch die Verbindung zur Historie gekillt. Mit einer transparenten Ankündigung und Erklärung, warum man das tut, wäre es zu diesem Wirrwarr gar nicht erst gekommen. Ein Dreizeiler auf Facebook, bestenfalls noch vor der Änderung, und nichts wäre passiert.
Doch nicht nur die Fans wurden offenbar nicht vorgewarnt, sondern auch die Liga wurde vergessen – und das unmittelbar vor dem 1. Spieltag. Anders ist nicht zu erklären, dass die DEL in ihrem Spieltagspost auf Facebook eine Fan-Page namens „EHC Red Bull München“ verlinkt und nicht die offizielle, jetzt nur noch „Red Bull München“ heißende Seite. Diese ist übrigens in erster Linie über den blauen Haken (symbolisiert die Authentifizierung) zu identifizieren.
Gut gedacht, schlecht gemacht und Schweigen ist nicht immer Gold
Die Maßnahme der Umbenennung der Seite, um eine Vereinheitlichung der Social-Media-Kanäle mit deren technischen Namen und eine bessere Auffindbarkeit auf Google und Co. zu gewährleisten, ist richtig und klug. Es ist absolut sinnvoll, auch unbequeme Überlegungen zu erörtern und zu erwägen. Die Umsetzung erfolgte jedoch zeitlich und organisatorisch mehr als unglücklich. Sie wirkt wie die viel zu überstürzte Umsetzung einer gut gemeinten Idee von einem technisch versierten Experten, dem möglicherweise das emotionale Ausmaß dieser Maßnahme nicht bewusst war.
Unter dem Strich bleibt der gut gemeinte Apell an die Organisation: Sprecht mit Euren Fans / Euren Kunden und lasst sie nicht im Trüben fischen und spekulieren. So bliebe allen Beteiligten ein absolut unnötiger Wirbel erspart. Offene Kommunikation hilft und Schweigen ist nicht immer Gold.
Jahrgang 1986, echtes Münchner Kindl, Autor der „111 Gründe, den EHC Red Bull München zu lieben“, hauptberuflich stellvertretender Sportchef der Abendzeitung
Bildquellen
- WIN_20200531_16_20_01_Pro (6): Florian Weiß
- ICE HOCKEY – DEL, RB Muenchen vs Eisbaeren: GEPA pictures/ City-Press
Danke Flo.
Sehr gut formuliert und zumindest was mich betrifft: 100 % getroffen!
Auf diesem Weg wünsche ich dir und dem ganzen Team ein paar erholsame Tage und einen guten Rutsch.
In Sachen puckmas: weiter so !